Warum wir auf Pinnwände verzichten

Es gibt Materialien, die sich in Workshopräumen hartnäckig halten. Die Pinnwand gehört dazu. Sie ist ein Klassiker, der fast selbstverständlich wirkt, weil er überall steht. Doch genau darin liegt das Problem: Wir hinterfragen sie kaum noch.

Wenn man genauer hinsieht, zeigen sich die Schwächen schnell.

Pinnwände wirken stabil, sind es aber selten. Sie wackeln, kippen, brauchen drei Personen zum Bedienen und stehen schneller im Weg, als man sie nutzen kann. Was im ersten Moment praktisch aussieht, wird im Arbeitsalltag zu einer überraschend großen Hürde.

Doch das eigentliche Problem ist nicht die Instabilität. Es ist die Wirkung auf den Raum und auf das Denken.

Jede Pinnwand schneidet den Raum in Segmente. Sie schafft Abgrenzungen, trennt Gruppen, teilt Blickrichtungen. Sie erzeugt unbewusst eine Vorder- und eine Rückseite – und damit ein „Hier wird präsentiert“ statt „Hier denken wir gemeinsam“. Räume, die eigentlich in Bewegung kommen könnten, werden durch Pinnwände strukturell enger.

Nicht sichtbar dramatisch, aber spürbar: Gespräche konzentrieren sich auf einen Punkt, statt sich im Raum zu entfalten. Menschen treten in Reihen, nicht in Kreisen zusammen. Der Raum gibt ein Muster vor. Und zwar eines, das Kooperation hemmt und Distanz fördert.

Auf beiden kann man Dinge sichtbar machen, und genau deshalb wirken Pinnwände auf den ersten Blick austauschbar mit Whiteboards. Doch Menschen lesen diese beiden Objekte völlig unterschiedlich.

Eine Pinnwand wird intuitiv als Präsentationsfläche verstanden. Der Akt des Ansteckens erzeugt Finalität: Etwas steckt, hängt, wirkt abgeschlossen. Damit hemmt sie Veränderbarkeit. Und das ist ein zentrales Element kreativer Prozesse.

Ein Whiteboard dagegen wird als Arbeitsfläche wahrgenommen. Das Schreiben darauf ist vorläufig. Es lädt ein zum Überarbeiten, Löschen, Weiterdenken. Es signalisiert unbewusst:

„Das ist nur ein Gedanke. Wir können ihn jederzeit verändern.“

Diese unterschiedliche Bedeutung entsteht nicht durch Funktion, sondern durch Psychologie:

  • Pinnwände fixieren.

  • Whiteboards halten Gedanken in Bewegung.

Man könnte sagen: „Dann nehmen wir einfach Pinnwände auf Rollen.“ Doch die Mobilität ändert nichts an ihrer Grundwirkung. Eine Pinnwand bleibt eine vertikale Barriere. Sie stellt sich zwischen Menschen, nicht zu ihnen. Ihr Rahmen schafft vorne und hinten, trennt Gruppen und erzeugt – oft völlig unbewusst – Frontalität. Sie ordnet Menschen in Präsentations- und Zuschauerrollen ein, selbst wenn niemand das beabsichtigt.

Whiteboards hingegen sind Werkzeuge, keine Wände. Sie schaffen Orientierung, ohne Grenzen zu setzen, und sie verändern sich mit dem Prozess. Eine Pinnwand stellt sich in den Raum. Ein Whiteboard begleitet den Raum.

Das klingt subtil, ist aber psychologisch bedeutsam.

In der Umweltpsychologie spricht man von „affordances“: Objekte senden Einladungen aus, bevor wir sie bewusst wahrnehmen. Ein schwerer, wackeliger Gegenstand lädt dazu ein, ihn in Ruhe zu lassen. Ein flexibler Gegenstand lädt ein, ihn zu bewegen, neu zu positionieren, auszuprobieren.

Genau deshalb bevorzugen wir in unserem Space Wände, die sich bespielen lassen, und Werkzeuge, die den Fluss unterstützen. Wenn Teams sich frei durch den Raum bewegen, entstehen andere Gespräche, andere Gedanken, andere Möglichkeiten.

Das zeigen auch Forschungen: Das physische Verschieben von Objekten im Raum aktiviert dieselben neuronalen Netzwerke wie Perspektivenwechsel im Denken. Der Körper probt das Umdenken und der Geist folgt dieser Bewegung schneller, als wir es bewusst merken.

Statt mobile Barrieren einzusetzen, nutzen wir die Wände als Arbeitsfläche. Sie sind stabil, groß, intuitiv verständlich.

Und sie erlauben es, Ideen sich ausbreiten zu lassen – ohne dass irgendetwas im Weg steht.

Damit wird der Raum zu einem stillen Co-Facilitator: nicht dominant, aber wirksam. Nicht kontrollierend, aber unterstützend.

Der beste Raum ist nicht der, der viel Material zeigt, sondern der, der Menschen in ihrem Denken erweitert. Deshalb verzichten wir auf Pinnwände. Nicht aus Prinzip, sondern weil sie dem, was kreative Prozesse brauchen, im Weg stehen.

Ein gutes Werkzeug muss nicht auffallen. Es muss wirken.


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Ingrid Gerstbach
Ingrid Gerstbach ist Österreichs Expertin für Design Thinking. Sie berät Unternehmen bei der Einführung von Design Thinking und in der erfolgreichen Umsetzung von Projekten.
https://ingridgerstbach.com
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